Menschen verstehen

Grundlagen hermeneutischer Phänomenologie in existentieller Lebensberatung und Psychotherapie

Detailangaben

Seminarbeschreibung

Grundlagen hermeneutischer Phänomenologie in existentieller Lebensberatung und Psychotherapie

Der Existenzanalyse ist daran gelegen, Antworten zu finden auf die Frage, wie unser
Leben im Alltag der Welt und im Miteinander der Menschen gelingen kann.
Die existenzanalytische Praxis ist methodisch-hermeneutisch geleitet durch eine
dialogische Gesprächsführung, die von dieser Zielbestimmung her den Menschen in
seiner existenziellen Daseinsweise zu verstehen sucht.
Im Prozess des Verstehens fragen wir nach den Beweggründen eines Menschen, was
für ihn in der Wechselwirkung mit seiner Welt wesentlich ist und Bedeutung gewinnt.
So versuchen wir das existentiell Bedeutsame im geschichtlichen Lebenskontext eines
Einzelnen inhaltlich zu erfassen, was ihn bewegt und wozu er sich verhält.
Dazu bedarf es einer hermeneutischen Haltung der Gelassenheit und Offenheit, die
einen Menschen von ihm selbst her im Zusammenhang eines aktuellen Geschehens
und im Verstehenshorizont seiner Lebenswelt zu sehen lehrt.
Im hermeneutischen Prozess der Existenzanalyse fragen wir darum nach der
Bedeutsamkeit eines Geschehens, die sich als „phänomenaler Gehalt“ im Erleben des
Einzelnen abbildet.
Mit dieser phänomenologischen Perspektive sehen wir den Menschen intentional auf
Zukünftiges hin ausgerichtet, insofern es uns immer um etwas geht, das wir anstreben
und zu erreichen suchen, dass wir bewahren oder bewirken wollen.
Nur dem Menschen wird das eigene Leben zur Aufgabe, insofern es von ihm geführt
und vollzogen werden muss, weil Dasein je meines ist und von keinem anderen
übernommen werden kann.

Menschen verstehen bedeutet, sie in ihrer Welt zu verorten. Das war die entscheidende
Wende hin zu einer hermeneutischen Phänomenologie, wie sie auch für die
Existenzanalyse Richtung weisend geworden ist.
Heidegger hatte die Hermeneutik ontologisch fundiert und sie als eine
„Grundbewegtheit des Daseins“ bezeichnet, die allen Menschen gemeinsam ist.
Unser menschliches Dasein unterscheidet sich vom Vorhandensein der Dinge. Es hat
seine besondere Seinsweise und ein ihm eigenes Wesen (Existenz), das unserem
Verstehen phänomenologisch zugänglich ist.
Vor dem Hintergrund einer phänomenologischen Erhellung des Daseins als ein In-der-
Welt-sein kann deutlich werden, auf welche Weise ein Verstehen des Menschen im
Wesen des Daseins selbst und seinen fundamentalen Strukturen ontologisch
verwurzelt ist.
Aus diesen Daseinsstrukturen lassen sich psychische Erkrankungen phänomenologisch
als „Abwandlungsformen“ des In-der-Welt-seins verstehen: allgemeine Möglichkeiten
unseres Daseins, die der menschlichen Existenz eigentümlich sind.
Damit sind wir hermeneutisch-phänomenologisch an die Daseinsthemen der
Zeitlichkeit, der Räumlichkeit, der Befindlichkeit (Gestimmtheit) und des
Miteinanderseins verwiesen, an Phänomene, die unserem Dasein in der Welt primär
zugehören.

Ziele der Weiterbildung

In 7 Modulen werden hermeneutische Zugänge zum Verstehen existentieller und
struktureller Grundbedingungen aufgezeigt, die unsere innere Zustimmung erfordern
und zugleich spezifische personale Fähigkeiten und Aktivitäten abverlangen.
Die Weiterbildung vermittelt die theoretischen Grundlagen einer phänomenologischen
Hermeneutik, die ihr entsprechende Erkenntnishaltung wie die daraus erwachsene
Methodik einer phänomenologischen Gesprächsführung.
Weiterhin beinhaltet das Curriculum die Phänomenologie existentieller Daseinsweisen
wie auch die Phänomenologie psychischer Krankheitsbilder.
Übungen zur phänomenologischen Haltung und einer hermeneutischen
Vorgehensweise begleiten die theoretischen Lerninhalte und leiten den personalen
Prozess des Verstehens im Erfassen des Wesentlichen.
Die Weiterbildung bietet zugleich in der Gemeinschaft mit anderen und im
gegenseitigen Erfahrungsaustausch einen Raum zur Reflexion innerer Haltungen und zum Verstehen eigener Wahrnehmungen, Emotionen und Erlebensweisen, wie sie im
generativen Feld der Begegnung wirksam werden.

Menschen verstehen
Grundlagen einer hermeneutischen Phänomenologie – Einzelthemen

  • Stationen auf dem Weg zu einer hermeneutischen Phänomenologie
  • eidetische Phänomenologie als Wesensschau
  • die intentionale Struktur von Bewusstseinsakten (Noesis und Noema)
  • die noetische-noematische Struktur des fühlenden Werterlebens
  • gestimmtes Verstehen unseres „In-der-Welt-seins“
  • Fundamentalstrukturen des Daseins
  • der Verstehensprozess im beraterischen und therapeutischen Gespräch
  • der hermeneutische Vorrang der Frage
  •  Selbstreflexion und praktische Übungen zur phänomenologischen Haltung

Vom Symptom zum Phänomen
Psychopathologische Symptome als „Abwandlungsformen“ des Daseins

  • hermeneutische Phänomenologie psychopathologischer Symptome und
    spezifischer Krankheitsbilder (Depression, Schizophrenie,
    Zwangserkrankungen und Phobien, Persönlichkeitsstörungen, Sucht)
  • Erlebensweisen menschlichen Daseins im Horizont der Zeitlichkeit
  • Leiblichkeit, Raumerleben und erlebter Raum
  • Phänomenologie des Mitseins und Störfelder des personalen Vollzuges
  • Systematische Darstellung grundmotivationaler Themen und daraus
    resultierender Bedrohungen (Copingreaktionen)
  • das Konzept existentieller Grundmotivationen als Strukturtheorie der
    Krankheitslehre
  • phänomenologische Diagnostik im psychotherapeutischen Prozess
  • Selbsterfahrerische Reflexion und Übungen zum phänomenologischen
    Verstehen menschlicher Daseinsphänomene und deren Abwandlungen

Der Welthorizont und das personale Vertrauen
Zur Phänomenologie der Angststörungen

  • Dasein-können als Grundfrage der Existenz
  • Coping-Reaktionen der Unsicherheit
  • existentielle und pathologische Angst
  • Grund- und Erwartungsangst
  • spezifische Methoden und Vorgehensweisen existenzanalytischer
    Angsttherapie

Der Verlust des Zusammenhalts
Existentielle Themen in der Schizophrenie

  • Verunsicherung im Selbstverständlichen
  • Störungen der Integrität und der Ich-Gewissheit
  • Grundbewegungen im Bewältigungsversuch
  • Phasen existenzanalytischer Psychotherapie und ihre Schwerpunkte

Das Leben und die personale Beziehung
Zur Phänomenologie depressiver Erlebensweise

  • existenzanalytische Emotionstheorie
  • Coping-Reaktionen auf Grund mangelnder Werterfahrungen
  • die Grundgestimmtheit der Schwermut
  • die vergehende Zeit und das vergängliche Leben
  • existenzanalytische Psychotherapie als Anleitung zum Werterleben

Die Gemeinschaft und das personale Selbst
Zur Phänomenologie der Selbststörungen

  • Selbstsein als Grundfrage der Person
  • Struktur der Psychodynamik des Selbstverlustes
  • histrionische und narzisstische Persönlichkeitsstörungen
  • existenzanalytische Psychotherapie bei Verunsicherungen des Selbst

Der existentielle Kontext und der Verlust personaler Freiheit
Zur Phänomenologie der Psychosomatik, Sucht- und Essstörungen

  • psychosomatischer Reaktionen im Kontext existentieller Phänomene
  • Abhängigkeitserkrankungen (Sucht) als Leiden an der inneren Leere
  • motivationale Grundthemen bei Essstörungen (Bulimie und Anorexie)
  • existenzanalytische Psychotherapie bei Sucht und Essstörungen

Zielgruppe

Interessierte, die menschliche Erlebens- und Verhaltensweisen zu verstehen suchen,
um ihnen angemessen begegnen zu können.

Ort

Hamburger Institut der Akademie für Existenzanalyse und Logotherapie
Am Mühlenberg 56, 25451 Quickborn

Teilnahme auch online möglich.

Termine

Beginn der Fortbildung ist vom 08. – 10.09.2023

Zeitrahmen

Freitag: 16.00 – 19.00 Uhr
Samstag: 10.00 – 18.00 Uhr
Sonntag: 10.00 – 14.00 Uhr

Kosten der Weiterbildung

Euro 2.800,- insgesamt

Leitung des Seminars

Helmut Dorra

Diplom-Theologe, Existenzanalytiker und Logotherapeut, Heilpraktischer
Psychotherapeut und Lebensberater in freier Praxis. Leiter des Hamburger
Institutes der Akademie für Existenzanalyse und Logotherapie, Lehrtherapeut
und Lehrsupervisor der GLE-I. Leiter der Akademie für Gerontopsychologie in
Quickborn/Hamburg.

D-25451 Quickborn, Am Mühlenberg 56

Existenzanalyse