Verstehende Pflege und Betreuung

Ein psychobiographisches Pflege- und Betreuungskonzept für stationäre und ambulante Altenarbeit, psychiatrische Fachpflege und Gerontopsychiatrie

Beschreibung

Grundannahmen

Mit dem Konzept einer Verstehenden Pflege und Betreuung werden zentrale Themen der Existenzanalyse für die ambulante sowie stationäre Altenarbeit und Gerontopsychiatrie entfaltet, die einen würdigen und therapeutisch wirksamen Umgang mit alten und psychiatrisch erkrankten Menschen begründet.

Anthropologie, Phänomenologie, Psychobiographie, Entwicklungspsychologie sowie Psychopathologie sind die inhaltlichen Schwerpunkte, die zu einer fachlich fundierten Pflege- und Betreuungspraxis anleiten.

Verstehende Pflege und Betreuung ist ein integratives und dynamisches Konzept, das sowohl in bestehende Modelle eingebunden werden kann, das zu zugleich offen ist für mögliche Erweiterungen und Aktualisierungen einzelner Themen, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Der Grundkurs wird als berufsbegleitende Weiterbildung mit einem Umfang von 60 Seminarstunden angeboten. Mit ihm wenden wir uns an Menschen, die in pflegerischen und sozialtherapeutischen Berufen tätig sind, die erfahrungsbezogen und praxisorientiert in der Gemeinschaft mit anderen lernen wollen.

Das Konzept einer Verstehenden Pflege und Betreuung vermittelt fachliche Kenntnisse wie auch krankheits- und persönlichkeitsspezifische Interventionsmöglichkeiten im Umgang mit psychisch erkrankten alten Menschen.

Mit einem praxisnahen Curriculum und einer am Bewohner bzw. am Patienten ausgerichteten Beziehungspflege appellieren wir an das Selbstverständnis der Pflegenden und Betreuenden und einer daraus resultierenden Grundhaltung. Darum werden in den Weiterbildungsseminaren zentrale Themen hinsichtlich der eigenen Person und des eigenen Pflegeverständnisses zum Verstehen eigener Gefühle und Verhaltensweisen reflektiert.

Verstehende Pflege und Betreuung ist als theoretisches Konzept wissenschaftlich begründet im Horizont biographischer, psychologischer und psychosozialer Erkenntnisse. Zugleich ist dieses Pflege- und Betreuungskonzept empirisch verankert in der gerontopsychiatrischen Pflege sowie im Alltagsleben der Pflegenden und ihrer Patienten.

Anthropologische Grundlagen

Im Horizont einer humanistisch begründeten Anthropologie und einer am Menschen orientierten ganzheitlichen Sicht versuchen wir menschliche Verhaltensweisen in ihren Beweggründen zu erfassen, um therapeutisch-pflegerisch angemessen intervenieren zu können.

Der Einzelne, in seiner Einmaligkeit und Individualität, mit seinen subjektiven Motiven, mit seinen eigenen Lebensweisen und Gewohnheiten, seinem je eigenen Erleben und Erleiden steht im Mittelpunkt unserer Beachtung, nicht vorrangig Diagnosen, Defizite oder auch funktionale Fähigkeiten, die ihn als „Pflegefall“ definieren.

So sehen wir in den Verhaltensweisen eines Klienten/Patienten nicht allein die Symptome einer Erkrankung z.B. die Symptome einer diagnostisch klassifizierten Demenz, sondern fragen, was dahinter verborgen liegt, wie es gemeint ist und worauf es verweisen will.

Verstehende Pflege und Betreuung ist im so gemeinten Sinn, die intervenierende und therapeutische Antwort auf das, was einen Menschen in seinem Innersten bewegt.

Die aus diesen anthropologischen Grundlagen erfolgenden inhaltlichen Akzentuierungen Verstehender Pflege und Betreuung verbinden wir mit einem präventiven und rehabilitativen therapeutischem Anliegen, bei dem sowohl die Lebenswelt wie auch die Biographie eines alten Menschen besondere Berücksichtigung findet und konzeptionell verankert wird.

Auf diese Weise möchten wir zu einer pflegerischen Versorgung und Betreuung beitragen, die das somatische und seelische Befinden eines Klienten/Patienten durch substituierende Impulse zu verbessern sucht, die aber auch seine existentiellen, personalen Strebungen fördert und Sinnerfahrungen ermöglicht.

Schließlich möchten wir durch eine am Klienten/Patienten orientierte, angemessene Milieugestaltung ein „Daheim-Gefühl“ ermöglichen, in dem sich alte bzw. dement erkrankte Menschen aufgehoben, zugehörig und geborgen fühlen.

Die Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen „Normalität“ im Alltagsleben dementiell betroffener Menschen kann mit beitragen zu einer vertrauten Umgebung und zu einer an traditionellen Gewohnheiten ausgerichteten Tagesstruktur, die eingebunden bleibt in eine über die Grenzen einer Pflege- und Betreuungseinrichtung hinausreichende Lebenswelt.

Theoretische Inhalte

Menschenbild

  • Anthropologische Grundlagen einer ganzheitlichen Pflege und Betreuung
  • Das Menschenbild als Leitmotiv eines gerontopsychiatrischen Pflegekonzeptes
  • Die Würde der Person im Mittelpunkt einer pflegerischen Beziehungsgestaltung

Persönlichkeit der Pflegenden/Betreuenden

Hermeneutische Haltung: Voraussetzung zum Verstehen menschlichen Verhaltens

Teamverständnis und Verantwortungsethik im Kontext einer konzeptionell begründeten Pflege und Betreuungspraxis

Biographie und zeitgeschichtlicher Horizont

  • Biographie und Zeitgeschichte: Verstehenshorizont situativer Verhaltensweisen
  • Lebensgeschichtliche Identität im Fokus einer reaktivierenden Pflege und Betreuung
  • Individuelle Biographie: Life-Events, Lebensart, Copings, existentielle Erfahrungen
  • Zeitgeschichte: Normalität im Alltagsleben/biographisch bedingte Individualität
  • Regional- und Sozialgeschichte: Lebenswelt/Milieu, Moral, Kultur und Religion
  • Biographische Erhebung und Pflegeanamnese
  • Biographie/Erinnerungsarbeit und validierende Gesprächsführung
  • Biographische Aspekte des Zeiterlebens
  • Beweggründe (Lebensmotive) menschlicher Verhaltensweisen
  • Sinnstreben und Lebensgestaltung

Psychosoziale Entwicklung und Umkehrphänomen

  • Lebensgeschichte und Persönlichkeitsentwicklung
  • Entwicklungspsychologische Konzepte
  • Phasen der Persönlichkeitsentwicklung (Lebensstadien nach E.Erikson)
  • Psychosoziale Entwicklung und Identität
  • Bewältigungsstrategien (erlernte Copings): Biographisch fixierte Verhaltensmuster
  • Entwicklungspsychologische Stadien und das sog. Umkehrphänomen bei dement betroffenen Menschen
  • Krisen- und Konfliktbewältigung in den Lebensphasen des Alters
  • Psychodynamische Aspekte des Alters: Regression und Dekompensation
  • Psychopathologische Sekundärsymptome im Verlauf einer dementiellen Regression

Praktische Umsetzung

Intervention: Reaktivierende und symptomspezifische Impulssetzung und pflegerische Maßnahmen

  • Interventionsstufen und pflegerisch/betreuerische Impulssetzung/Maßnahmen
  • Ableitung reaktivierender Impulse/Maßnahmen aus der individuellen Biographie
  • Ableitung substituierender Impulse/Maßnahmen aus zeitgeschichtlicher Normalität
  • Ableitung symptomspezifischer Impulse/Maßnahmen aus psychopathologischer Diagnose

Grundmotivation und Persönlichkeitsstruktur

  • Die menschlichen Fundamentalstrebungen/Grundmotivationen:Strukturmodell einer personzentrierten Beziehungspflege
  • Copingreaktionen und persönlichkeitsspezifische Verhaltensmuster
  • Basisverhalten der Pflegenden und substituierende Umgangsweisen
  • Motivationale Aspekte der Milieugestaltung

Psychologische Betreuungs- und Behandlungskonzepte für dement be-troffene Menschen

  • Sozialtherapie/Milieutherapie
  • Realitäts-Orientierungs-Training (ROT)
  • Validation (Naomi Feil/Nicole Richard)
  • Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET, Barbara Romero)
  • Personzentrierte Pflege (Tom Kitwood)

Milieugestaltung

  • Die Bedeutung des Wohnens und Phänomenologie des Raumerlebens
  • Gestimmtsein als Erlebens- und Verstehensweise
  • Gestaltung der Lebenswelt in einer gerontopsychiatrischen Einrichtung
  • Tagesstruktur und Aktivitäten im Alltagsleben
  • Das Normalitätsprinzip: Bewahrung biographischer/zeitgeschichtlicher Identität

Pflegeplanung und Dokumentation

  • Formulare/Formulierungshilfen Verstehende Pflege
  • Durchführung einer Pflegeplanung am Praxisbeispiel

Persönlichkeitsbildung

Selbstreflektion

Verstehende Pflege und Betreuung stellt mit ihrer anthropologischen Grundlage und ihren inhaltlichen Schwerpunkten die Arbeit der pflegerischen und sozialtherapeutischen Betreuung als Beziehungsprozess heraus, zu dem nicht allein fachliche Professionalität, sondern auch personale Fähigkeiten, persönliches Engagement und Eigenverantwortung Voraussetzung sind.

Darum wird in den Weiterbildungsseminaren Verstehende Pflege und Betreuung Gelegenheit gegeben zur Reflexion innerer Haltungen, zum Verstehen eigener Gefühle und Verhaltensweisen und zum Austausch je eigener Erfahrungen in der Pflege- und Betreuungsarbeit wie auch im Alltagsleben.

Abschluss

Die Weiterbildung Verstehende Pflege und Betreuung wird mit einem Kolloquium und einer schriftlichen Facharbeit(Erhebung einer singulären Biographie)abgeschlossen. Die TeilnehmerInnen erhalten ein Zertifikat über die Inhalte der Weiterbildung, Stundenumfang sowie einen Prüfungsnachweis.

Nach erfolgter Implementierung des gerontopsychiatrischen Pflege- und Betreuungskonzeptes kann der Pflegeeinrichtung ein agp-Signum für gerontopsychiatrische Pflegequalität verliehen werden.

Praxisberatung

Für eine systematische Umsetzung des gerontopsychiatrischen Pflege- und Betreuungskonzeptes Verstehende Pflege und Betreuung wird von der agp parallel zur Weiterbildung oder kontinuierlich begleitend eine Praxisberatung angeboten. Die Praxisberatung hat den Schwerpunkt, einen Transfer in die tägliche Pflegepraxis im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen der jeweiligen Einrichtungen zu ermöglichen und zugleich zu einer effizienten Pflegeplanung und Dokumentation anzuleiten.

Supervision

Teamcoaching

An Praxisbeispielen werden exemplarisch Pflegediagnosen erstellt und pflegerisch/sozialtherapeutische Interventionsmöglichkeiten gemeinsam erarbeitet. Zugleich werden kooperative Fähigkeiten und kommunikative Kompetenzen vermittelt und trainiert, die zur Teamentwicklung und zu einer effizienten Zusammenarbeit beitragen.

Organisatorisches

Leitung
Helmut Dorra

Nächste Termine

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Existenzanalyse