Die existenzielle Idee

Existenzanalyse bedeutet Analyse der Bedingungen für ein wertfühlendes, selbstgestaltetes und menschenwürdiges Leben. Sie hat die Entfaltung der Offenheit und der Eigenaktivität im Erleben, in den Beziehungen und im Handeln zum Ziel.

Die existenzielle Idee

Kernidee der Existenzanalyse ist – analog der Tradition existenzialistischer Ansätze – die Fähigkeit des Menschen, sich das Leben anzueignen, aktiv das eigene Leben gestalten zu können, in einem potentiell freien und verantwortlichen Umgang mit allen Gegebenheiten seiner Welt zu stehen.

Dieses Umgehen des Menschen mit seiner Welt zeigt sich in der Möglichkeit, aber auch der Notwendigkeit, Entscheidungen treffen zu können, zu müssen und zu wollen. Diese Entscheidungen, wenn sie authentisch sind, geben dem Leben des Menschen ihre sinnstiftende Ausrichtung. Dafür ist die Idee maßgeblich, dass den Menschen eine Welt umgibt, die immer auch eine Aufgabe in sich trägt, der ersich zu stellen hat. Die Verwirklichung dieser als wertvoll erlebten Lebensmöglichkeit stiftet ihm Erfüllung.

Ziel existenzanalytischer Psychotherapie ist deshalb die Befähigung zu diesem Umgang, zu dieser Aneignung des Lebens, wenn diese in ihrer Intentionalität blockiert oder gar gestört ist. Der Weg dieser Aneignung ist der existenzielle Dialog.

Was ist Existenzanalyse?

Existenzanalyse ist eine existenziell-humanistische Psychotherapie für die Behandlung seelischer Probleme und Störungen wie Ängste, Depressionen, Süchte, Psychosen oder Psychosomatische Krankheiten. Sie wurde vom Wiener Psychiater und Neurologen Viktor E. Frankl (1905-1997) auf Grundlage seiner Logotherapie in den 1930er-Jahren begründet. In den 80er und 90er Jahren wurde die Existenzanalyse von dem Wiener Arzt Alfried Längle weiterentwickelt und mit seinen Konzepten der Grundmotivationen sowie des Prozessmodells der Personalen Existenzanalyse neu gefasst und zur staatlichen Anerkennung in Österreich gebracht.

Ziel existenzanalytischer Psychotherapie ist es, mit innerer Zustimmung handeln und leben zu können (Authentizität). Im bejahten Erleben von Wertvollem oder im Engagement für Wertvolles bringt der Mensch der existenzanalytischen Anthropologie zufolge seine Existenz zur Erfüllung (Sinn).

Als phänomenologisch-personale Psychotherapie ist die Arbeit auf ein (geistig und emotional) freies Erleben, auf authentische Stellungnahmen und auf einen eigenverantwortlichen Umgang mit dem (eigenen) Leben und der Welt ausgerichtet.

Was ist Logotherapie?

Logotherapie ist eine sinnorientierte Beratungs- und Behandlungsmethode (Logos=Sinn). Sie gibt Anleitung und Hilfestellung bei der existenziellen Neuausrichtung des persönlichen Lebens sowie der Bewältigung von Krisensituationen und Enttäuschungen, Belastungen, Verlusten, schweren Krankheiten, Fehlentscheidungen, Umgang mit Tod und Trauer, bei längerfristiger Begleitung im Umgang mit psychotischen Erkrankungen und in der Bewältigung körperlicher Behinderungen (Rehabilitation und Langzeittherapie).

Immer schon versuchte der Mensch, dem Sinn seines Lebens nachzugehen, es existenziell zu vertiefen. Die Frustration dieses Verlangens, sein Leben in einem größeren Zusammenhang zu verstehen, ist zum Symptom unserer Zeit geworden. Viktor Frankl nennt diese Zeitkrankheit Existenzielles Vakuum und hat schon seit den 30er Jahren dafür die Logotherapie als Beratungs- und Behandlungsmethode entwickelt. Logotherapie gründet auf dem Nachweis, dass menschliches Leben auch unter schweren und extremen Bedingungen die Möglichkeit sinnvoller Gestaltung in sich trägt durch Verwirklichung von Erlebniswerten (Natur, Kunst, Begegnung), schöpferischen Werten (Kreativität, Handlungen) und Einstellungswerten (Beziehen einer Einstellung zu unabänderlichem und unausweichlichem Leid).

Ausführliche Begriffsbestimmung

Viele Menschen leiden heute an Sinnlosigkeits- und Leergefühlen, die zu seelischen Erkrankungen führen können oder die sich in maskierten Formen existentieller Frustration (z.B. Konsumhaltung, Gewalttätigkeiten, Suchtproblemen) manifestieren. Darum bietet die Logotherapie den Menschen in besonderen Krisensituationen ihre spezifische Hilfe an zur Sinnfindung bzw. zu einem eigenverantworteten Handeln, zur freien Entfaltung und selbstbestimmten Gestaltung ihres Lebens. Wo ein Mensch an Orientierungslosigkeit leidet, ist er aufgefordert, sich neu zu besinnen, sich mit seinen Wertvorstellungen, seinen Haltungen und seiner Beziehung zur Welt auseinanderzusetzen. Logotherapie will die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen fördern und mit ihm die Haltung phänomenologischer Offenheit einüben, daß er auf dem Hintergrund der Wertewelt seine konkreten Handlungs-und Erlebnismöglichkeiten erkennt bzw. ergreift. Die Entscheidung bleibt beim Einzelnen, der in der Einzigartigkeit seiner Person auf den Sinnanspruch der Situation zu antworten herausgefordert ist.

Nicht immer ist ein Mensch in der Lage, auf Grund seiner Verantwortlichkeit und gemäß seiner Werterkenntnis zu handeln, weil der emotionale Zugang zu einem personalen Werterleben verschüttet ist. Hier ist die Existenzanalyse als eine spezifische psychotherapeutische Behandlungsform aufgerufen, der Person eines seelisch leidenden Menschen zu einem geistig und emotional freien Erleben sowie zur authentischen Stellungnahme und zu einem wertfühlenden Umgang mit sich selbst und ihrer Welt zu verhelfen. Die Existenzanalyse konzentriert sich deshalb auf die personalen Voraussetzungen, die der Mensch braucht, um sinnerfüllt leben zu können. Ausgangspunkt im therapeutischen Prozeß ist stets die Aktualität, die in ihrer gegenwärtigen und biographischen Gestalt im Hinblick auf die künftige Lebensführung durchleuchtet wird. Dabei nimmt die Existenzanalyse Bezug auf die spezifisch menschlichen Fähigkeiten zur Auseinandersetzung, Meinungsbildung und Stellungnahme, zur freien Wahl und zu vertretbaren Entscheidungen sowie zum Eingehenvon Verbindlichkeiten und Beziehungen.

Logotherapie und Existenzanalyse wurden in den dreißiger Jahren von dem Wiener Psychiater und Neurologen Viktor E. Frankl entwickelt. Damit schuf ihr Begründer einen Ansatz, der in besonderer Weise die geistige Dimension des Menschen in den Blick nimmt. Erst diese „Dimension der spezifisch humanen Phänomene“ befähigt den Menschen, zu sich selbst zu kommen, sich gegenüber seinen Bedingtheiten zu verhalten und sich über sich selbst hinaus auf Sinn und Werte ausrichten zu können.

Zur Bestimmung der Existenz gehört, dass es der Existenz um sie selbst geht, so dass es unmöglich ist, sich unbeteiligt zu sich selber zu verhalten: Die Existenzanalyse wendet sich darum gegen alle (kausal-deterministische) Versuche, den Menschen auf psychische Mechanismen oder allgemeine Verhaltensmuster zu reduzieren. Der Mensch ist im Sinne eines Reiz-Reaktionsmechanismus nicht auf sein Verhalten festgelegt. Er hat vielmehr die potentielle Fähigkeit, zu sich selbst auf Distanz zu gehen (Selbstdistanzierung), sich selbst gegenüber zu treten und sich selbst entgegenzutreten zu können. Der Mensch ist als Person darauf angelegt, über sich selbst hinaus zu gelangen, in seinem Dasein Sinn zu erfülllen und Werte zu verwirklichen. Auf der Suche nach dem Sinn leitet ihn das Gewissen, das ihn befähigt, den einmaligen und einzigartigen Sinn, der in jeder Situation verborgen liegt, aufzuspüren.

In den 80er und 90er Jahren wurde dieser Ansatz im Verständnis der Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse, Wien (GLE) als psychotherapeutische Methode weiterentwickelt, was schließlich 1993 in Österreich zur staatlichen Anerkennung der Existenzanalyse als fachspezifische Richtung der Psychotherapie führte. Die Personale Existenzanalyse als methodischer Rahmen sowie die personalen Grundmotivationen als basale existentielle Strebungen des Menschen sind in diesem Zusammenhang insbesondere von Alfried Längle herausgearbeitet worden. Als weitere Namen im Zusammenhang der Weiterentwicklung hinsichtlich des Stellenwertes von Selbsterfahrung in existenzanalytischer Ausbildung, der Bedeutung biographischer Arbeit in der existenzanalytischen Psychotherapie, des existenzanalytischen Verständnisses klinischer Krankheitsbilder sowie existenzanalytischer Impulse für die Pädagogik sind Lilo Tutsch und Christoph Kolbe zu nennen.

In Deutschland ist die Existenzanalyse ein integraler Bestandteil des einheitlichen Verfahrens „Humanistische Psychotherapie“. Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT) entwickeln ihre Mitgliedsverbände gemeinsame Standards zu Methodik, wissenschaftlicher Erforschung, Qualitätskontrolle und Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Anwendungsbereiche

Auf der Grundlage des oben beschriebenen anthropologischen Konzeptes findet die Logotherapie als sinnorientierte Beratung und Begleitung ihre praktische Anwendung in Lebensberatungsstellen, Pädagogik (Schule, Erwachsenenbildung), Sozialarbeit, Medizin, Krankenpflege, Hospizarbeit, Seelsorge und überall dort, wo wesentliche Arbeit zur Prophylaxe von seelischen Erkrankungen und zur Klärung der Lebenssituation geleistet wird.

Als psychotherapeutische Methode wird die Existenzanalyse angewandt bei psychosozialen, psychosomatischen und psychisch bedingten Erlebens-und Verhaltensstörungen mit dem Ziel, die Person aus den Fixierungen, Verzerrungen, Einseitigkeiten und Traumatisierungen, die ihr Erleben und Verhalten beeinflussen, zu lösen. Zunehmend findet der Ansatz auch Anwendung im Bereich der Organisationsberatung, im Coaching sowie der beruflichen Supervision.

Fachzeitschrift EXISTENZANALYSE

EXISTENZANALYSE ist die internationale Fachzeitschrift für Psychotherapie, Beratung und Coaching. Sie ist das wissenschaftliche Organ der Internationalen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (GLE-International) mit Sitz in Wien. Zweck der Zeitschrift ist es, die Inhalte der Existenzanalyse und Logotherapie weiterzuentwickeln sowie die praktischen Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen und zu reflektieren.

Schwerpunkte bilden dabei die Veröffentlichung von Originalarbeiten, Übersichtsartikeln, Projektberichten, Falldarstellungen, Kongressbeiträgen, Diskussionen und Fachbriefen (letters to the editor) mit Bezug auf Forschung, Anthropologie und Praxis der neueren Existenzanalyse. Die Erscheinungsweise ist halbjährlich, wobei in der jeweils ersten Jahreshälfte ein spezifischer Themenband und in der zweiten Jahreshälfte ein Kongressbericht mit Beiträgen des je vorangegangenen Jahreskongresses aufgelegt werden.

Das Zeitschriftenarchiv ist online zugänglich. Aktuelle Ausgaben können kostenpflichtig abgerufen werden, alle älteren Beiträge sind 18 Monate nach Veröffentlichung frei erhältlich.

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